


SANIERUNG ALTE KÜHLHALLE /// Coburg
Neuer Ort für Gründer und Kreative
Alte Schlachthöfe: Immer mehr Städte entdecken sie als Orte, um neues, oft buntes Leben anzusiedeln. Dazu gehört nun auch die alte Residenzstadt Coburg in Oberfranken. Nach einer behutsamen, aber gründlichen Sanierung ist dort ein neues Kreativzentrum entstanden, das von der Hochschule und der Stadt Coburg gemeinsam genutzt wird.
Die Kühlhalle ist auch der erste Baustein der zukünftigen Entwicklungen der Hochschule Coburg am Schlachthof- und Güterbahnhofareal. Ein weiterer Campus soll in den nächsten Jahren auf dem alten Areal von Schlachthof und Güterbahnhof wachsen und zum Transfer- und Kulturterminal der Hochschule werden.
Historischer Schlachthof
Ein Blick zurück: Ihren historischen Schlachthof haben die Coburger um 1880 gebaut. Man platzierte ihn am damaligen Stadtrand zwischen den noch jungen Bahngleisen und dem Fluss Itz. Die Kühlhalle kam etwas später dazu, sie stammt aus dem Jahr 1928. Fast ein Jahrhundert lang war sie in Betrieb: 2013 wurden im Schlachthof zuletzt Tiere getötet. Das Gelände wurde seither nicht genutzt. Wie alle Städte ist auch Coburg im 20. Jahrhundert deutlich gewachsen, sodass das Areal nun nicht mehr am Rand, sondern vergleichsweise stadtnah und gut liegt. Drum lag es nahe, dort etwas Neues entstehen zu lassen.
Nur einzelne Gebäude erhalten
Es sind längst nicht mehr alle Schlachthof- Gebäude erhalten, die Kühlhalle gehört zu den wenigen, die übrig blieben. Weil die Zukunft des Areals lange unklar war, hatte man einzelne Gebäude abgerissen. Nur drei historische Gebäude sind geblieben, neben der Kühlhalle stehen noch die alte Direktorenvilla und eine ehemalige Gaststätte. 2018 kam der Schlachthof wieder auf die Agenda. Der Gemeinderat entschied, das große stadtnahe Areal nicht etwa zu verkaufen, sondern ganz gezielt und unter städtischer Regie zu entwickeln. Fürs alte Kühlhaus, wo einst die Schweinehälften hingen, wünschte man sich ein modernes Kreativzentrum in historischen Mauern. Wichtig war den Entscheidern auch, dass der historische Industrie-Charakter gewahrt und erhalten wird.
Das Bauunternehmen Raab aus dem nahe gelegenen Ebensfeld übernahm in einer Bietergemeinschaft mit Bär Kühhorn Architekten aus Nürnberg die kniffelige Aufgabe der Generalsanierung. Ende 2020 starteten die Arbeiten. Seit Anfang 2022 sind die neuen Nutzerinnen und Nutzer in die alte Kühlhalle eingezogen. In den alten Mauern liegt nun ein modernes Kreativzentrum mit Büros, Werkstätten und Veranstaltungsräumen.
Für Studierende und Stadt
Eingezogen ist unter anderem CREAPOLIS, die Vernetzungs- und Innovationsplattform der Hochschule Coburg, die sich um den Wissenstransfer zwischen Hochschule und externen Dritten kümmert. Dazu zählt auch der für alle Studierenden, Bürgerinnen und Bürger offenstehende „Makerspace“. Außerdem gehört das digitale Gründerzentrum „Zukunft.Coburg.Digital“ zu den Nutzern: Es bietet im Obergeschoss einen Co-Working- Space für Existenzgründerinnen und ‑gründer an.
Bis es so weit war, mussten sich die Planer des Generalunternehmens Raab einiges einfallen lassen. Denn die Kühlhalle steht in unmittelbarer Nähe eines Einzeldenkmals. Das Raab-Team ermöglichte eine besonders behutsame Sanierung. Erst wurde das alte Gebäude entkernt.
Dann kam eine Innendämmung mit Ziegeln: Die Wärmedämmfassade WDF von Schlagmann wurde verbaut, etwa 1.000 Quadratmeter neue Innenwandflächen sind entstanden. Dabei hat Raab die Poroton- WDF mit 80 Millimetern Stärke eingesetzt. Und getüftelt: Viele Überlegungen waren nötig für die Details, bis das Gebäude am Ende nahezu wärmebrückenfrei war. Der U-Wert der Außenhaut konnte damit auf 0,65 W/m2K gesenkt werden.
Die WDF ist selbst eine Ziegelwand, die frei stehend aufgemauert werden kann. Genau deswegen war sie in Coburg die ideale Lösung: Man verarbeitet sie in bewährter Planziegel-Bauweise und konnte mit diesem Arbeitsgang auch direkt alle Unebenheiten und unterschiedliche Wanddicken optimal ausgleichen. Wenn man eine Wand so aufbaut, braucht man weder Gewebe- Einlagen noch Folien-Abdichtungen.
Für die neuen Nutzer musste umgestaltet und neu gedacht werden. Vor allem größere Räume waren wichtig. Dafür wurde das Halleninnere komplett zur Disposition gestellt. Die Sanierer haben Zwischenwände entfernt und großzügige Grundrisse ermöglicht.
Wer heute durch die Kühlhalle läuft, wird schöne Details entdecken: Beim Sanieren hat man sich sehr viel Mühe gegeben, alte Substanz wo immer möglich zu bewahren und wieder zu verwenden. Dem kam entgegen, dass die alte Bausubstanz stellenweise gut erhalten war. Um die Charakteristik zu bewahren, hat man nur das Nötigste erneuert. Wo immer möglich, wurde Vorhandenes eingebunden, manchmal auch neu interpretiert.
Beispielsweise sind historische Säulen ertüchtigt worden, damit sie auch die neuen Beton-Zwischendecken tragen. Die historische Bodenplatte konnte bleiben, musste aber auf ein einheitliches Niveau gebracht werden. Das gelang mit einer zementgebundenen Perlit-Schüttung. Auch die Form der Fenster hat man exakt beibehalten. Das war wichtig, weil sie viel beiträgt zum ursprünglichen Charakter des Kühlhauses. Die neuen Sprossenfenster haben nun genau dieselbe Form wie ihre historischen Vorgänger.
Der Dachstuhl war intakt. Hier wurde nicht viel verändert, nur einheitlich weiß gestrichen. Auch die neuen Wände sind weiß, die Gussbetonböden anthrazitfarben. Hinzu kommen Metallgeländer. Material und Farbgebung unterstreichen wie gewünscht den industriellen Charme der historischen Immobilie. Geheizt wird sehr modern mit Nahwärme.
Copyright Bilder: studiopfleiderer | Raab Baugesellschaft, Karsten Schöne | Bär Kühhorn Architekten GmbH
Baudaten | |
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Bauzeit | 10/20–12/21 |
Baujahr Altbestand | 1925–1928 |
Gebäudetyp | Kommunal- und Gewerbebau |
Nutzfläche | Nachher: 247 m2 |
Grundstücksgröße | 5.528 m2 |
Abmessungen | 14,9 × 72,6 m |
Gedämmte Fläche | ~1.000 m2 |
Konstruktion | Innendämmung POROTON®-WDF® in Stärke 8,0 cm |
Wärmeschutz | U-Wert Außenwand Vorher: 0,8 W/(m²K) Nachher: 0,65 W/(m²K) |
Anlagentechnik | Deckenstrahlungsheizung und Zentralheizung mit Heizkörpern |
Energetischer Standard | Mindestanforderung nach GEG |
Bauherr | Stadt Coburg, Coburg |
Architektur | Bär Kühhorn Architekten GmbH, Nürnberg |
Tragwerksplanung | Ingenieurbüro Heimrich + Gehring, Coburg |
Bauunternehmen | RAAB Baugesellschaft mbH & Co KG, Ebensfeld Projektleiter: Erich Zenglein |



